
Sennentuntschi
Eine Legende, die sich schon seit Jahrhunderten im Raum der Alpen erzählt wird.
Während des Sommers trieben die Hirten ihre Herden in die Berge. Dies bedeutete vor allem eine lange Zeit der Einsamkeit, meist kümmerte sich eine Gruppe von zwei bis vier Hirten um eine Herde. Oft bestand diese Gruppe von Hirten aus einem Alten erfahrenen, zwei jungen kräftigen Männern und einem Jüngling, der vom Alten lernen sollte. In dieser Zeit waren die Männer unter sich, Frauen gab es auf dem Almhütten nicht. Der Arbeitsalltag war hart, die Berge waren steil und oft mussten Tiere, die sich zu weit von der Herde entfernt hatten, wieder zurückgetrieben werden. Am Abend verplänkelte man sich die Zeit mit Selbstgebranntem und Geschichten aus alten Zeiten.
Eines Abends, die Stimmung war durch den Selbstgebrannten sehr aufgelockert, da tratschen die Männer über die Weiber, machten schmutzige Witze, die der Jüngling nicht verstand. Die Männer lachten über die Unschuld des Jungen, der Alte sagte: "Es wird Zeit, dass du was über die Weiber lernst!" Die Männer wollten sich einen Spaß daraus machen und so bastelten sie aus Stroh ein Mädchen für den Jüngling, sie zogen der Puppe ein Kleid aus Laken an, malten ihr ein Gesicht und aus einem alten Besen wurden eine Perücke gefertigt. Sie tranken weiter, sie rissen Witze über die Puppe, fütterten sie und behandelten sie wie ein echtes Mädchen. Einer kam auf die Idee, sie mit Jauche zu taufen. Danach legten sie das Sennentuntschi ins Bett und ein jeder vergnügte sich mit ihr.
Am nächsten Morgen erwachte einer der Hirten von einem schmatzenden Geräusch. Er schaute zum Tisch und stellte entsetzt fest, dass das Sennentuntschi zum Leben erwacht war. Es saß am Tisch und aß gierig die Vorräte der Hirten auf. Der Hirte weckte die anderen und alle überkam die blanke Angst, keiner wusste, was zu tun war. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als den restlichen Sommer mit dem unheimlichen Wesen in der Almhütte zu verbringen. Das Sennentuntschi war hungrig, gierig aß es die Vorräte der Hirten, die schon bald Hunger leiden mussten. Die Angst der Hirten war zu groß, um dem Sennentuntschi Einhalt zu gebieten und sie stellten sich oft ängstlich die Frage, was am Ende des Sommers mit dem Sennentuntschi geschehen sollte. Was, wenn es vorhatte, ihnen ins Dorf zu folgen? Wie sollten sie das den Weibern und vor allem dem Priester erklären?!
Als nun der letzte Tag gekommen war, versuchten die Hirten, sich im Morgengrauen wegzuschleichen, aber das Vieh war zu laut und so weckten sie das Sennentuntschi. Dieses wollte aber nicht alleine auf der Alm zurückbleiben und es forderte von den Hirten, dass einer mit ihr auf der Alm zurückbliebe. Die Wahl der Hirten fiel auf den grobschlächtigen Alten, der es am gemeinsten mit dem Sennentuntschi getrieben hatte. Die Hirten liefen, so schnell sie konnten, den Berg hinab. Nur der Jüngling hatte den Mut, sich noch einmal umzudrehen und erblickte das Sennentunschti, welches dem Alten die Haut abgezogen hatte und sich nun daran machte, die Haut des Alten mit Stroh auszustopfen, um sich ein eigenes Sennentuntschi zu schaffen.