
In den tief verschneiten Bergen des kleinen Dorfes Blackwood gibt es eine unheimliche Legende, die Generationen von Dorfbewohnern in Angst und Schrecken versetzt hat. Es heißt, dass man niemals nach Einbruch der Dunkelheit einen Schneemann bauen sollte, denn die bösen Geister, die in der Kälte lauern, könnten ihn besetzen und Unheil über die Erbauer bringen.
Vor einigen Wintern lebten dort zwei Geschwister, Max und Sophie, die diese Warnungen als alte Geschichten abtaten. An einem besonders kalten Abend, als der Schnee unter ihren Füßen knirschte und die Nacht hereinbrach, beschlossen sie, einen großen Schneemann zu bauen. Sie lachten und scherzten, während sie die Schneekugeln formten und sie übereinander stapelten. Mit Kohlenstücken gaben sie ihm Augen, einen alten Ast nutzten sie für einen unheimlichen, grinsenden Mund, und lange Äste dienten als Arme.
In der ersten Nacht nach dem Bau hörten Max und Sophie merkwürdige Geräusche, ein leises Knirschen, das vom Garten her kam. Als sie aus dem Fenster sahen, schien der Schneemann im schwachen Mondlicht anders zu wirken, seine Augen funkelten böse. Am nächsten Morgen waren die Äste, die seine Arme bildeten, in eine andere Position gerutscht, als hätten sie sich von selbst bewegt. Die Kinder schoben es auf den Wind, aber eine unheimliche Ahnung beschlich sie.
In der zweiten Nacht wurden die Geräusche lauter, und es klang, als würde etwas an ihrer Tür kratzen. Max, neugierig und ein wenig verängstigt, öffnete die Tür und sah nur den Schneemann, der nun direkt vor der Tür zu stehen schien. Seine Kohlenaugen glühten unheimlich im Licht der Laterne.
Innerhalb der nächsten Tage eskalierten die Ereignisse. Gegenstände im Haus schienen sich von allein zu bewegen, flüsternde Stimmen riefen die Namen der Kinder, und Sophie behauptete, im Spiegel eine dunkle Gestalt gesehen zu haben, die sofort verschwand. Max hatte Albträume und wachte oft schreiend auf.
Am fünften Tag kam die Nachbarin Frau Miller, eine alte Frau, die die Legenden von Blackwood gut kannte, zu Besuch. Als sie den Schneemann sah, wurde sie bleich vor Schreck.
„Ihr müsst diesen Schneemann sofort zerstören“, warnte sie. „Er ist von einem bösen Geist besessen.“
Gemeinsam mit Frau Miller beschlossen Max und Sophie, den Schneemann zu beseitigen. Sie bewaffneten sich mit Schaufeln und einem Eimer heißem Wasser. Als sie sich dem Schneemann näherten, begann der Boden unter ihnen zu vibrieren, und ein eisiger Wind heulte auf. Der Schneemann bewegte plötzlich seine Arme, die Äste griffen nach ihnen, und seine Kohlenaugen glühten bedrohlich.
Max schüttete den Eimer heißes Wasser über den Schneemann, und mit einem unheilvollen Zischen begann er zu schmelzen. Doch bevor er vollständig verschwand, öffnete sich ein riesiger, dunkler Schlund in seinem Gesicht, und ein markerschütternder Schrei erfüllte die Luft.
Nachdem der Schneemann geschmolzen war, kehrte wieder Ruhe ein. Die seltsamen Vorkommnisse hörten auf, und die Geschwister schworen sich, nie wieder die Warnungen der alten Legenden zu ignorieren.
Seit jener Zeit erzählt man sich in Blackwood die Geschichte vom verfluchten Schneemann, der in den kalten Winternächten seine Opfer sucht. Die Dorfbewohner warnen einander, besonders die Kinder, niemals nach Einbruch der Dunkelheit einen Schneemann zu bauen, denn man weiß nie, ob die bösen Geister nicht wieder erwachen und Unheil bringen.