
Alfranke
Hier eine deutsche Sage.
Ein sächsischer Fürst liebte die Jagd und lebte mehr in den wilden Wäldern als in seinen Schlössern. Einmal schälte ein Hirtenjunge in seinem Wald Rinde von einem Baum ab und machte sich daraus eine Schalmei. Der Fürst schnitt dem Jungen den Körper auf und band des Ende seines Darms um den Baum. Dann ließ er ihn so lange um den Baum treiben, bis der Darm aus dem Körper gewunden und der Junge tot umgefallen war, woraufhin der Fürst rief: "Das ist die Schalmei, worauf du blasen sollst; das hast du für dein Pfeifen."
Ein Bauer schoss auf einen Hirsch, der ihm das Korn abweidete. Der Fürst schmiedete den Bauern auf dem Hirsch fest und ließ den Hirsch so in den Wald laufen. Der Hirsch lief lange und zerquetschte und zerriss dem Bauern Kopf und Körper an den Bäumen im Wald, bis zuerst der Bauer und dann auch der Hirsch starb.
Schließlich ging das Pferd des Fürsten durch. Es rannte gegen eine Buche und fiel sofort tot um. Der Fürst brach sich dabei das Genick und muss seitdem zur Strafe für seine Taten jede Nacht Die Wilde Jagd anführen. Oft hört man ihn schreien: "Wod! Wod! Hoho! Hallo! Hallo!". Meistens schreit er nur "Wod! Wod!" Daher nennt man ihn Wode.
Der Wode ist groß, hager und trägt eine eiserne Rüstung. Aus seinen Augen sind Zorn und Grimm zu sehen, aus seinem Gesicht fliegt Feuer. Sein Leib ist vornüber gebeugt, da sein Pferd so schnell ist. Mit einer Peitsche in der rechten Hand knallt er, jagt Wild auf oder schlägt seine Beute. Sein Pferd ist ein schneeweißer Schimmel oder ein feuerflammiges Ross. Aus seinen Nüstern sprühen Funken. Viele wütende, furchtbar lärmende und heulende Hunde begleiten die Wilde Jagd. Manchmal ruft der Wode: "Wod! Wod! Hallo! Hallo! Halt den Mittelweg! Halt den Mittelweg!"
Meistens jagt der durch wilde Wälder und Heiden, da er nicht auf ordentlichen Straßen und Wegen in der Mitte reiten darf. Trifft er auf einen Kreuzweg, stürzt er Hals über Kopf und rafft sich weit weg wieder auf. Auch seine Beute darf dem Kreuzweg nicht zu nahe kommen. Er jagt Wölfe, Füchse, Luchse, Katzen, Marder, Iltisse, Ratten, Mäuse und auch Menschen. Die Menschen, die er jagt, sind Mörder, Diebe, Räuber, Hexen, Hexenmeister und alles, was von dunklen und nächtlichen Künsten lebt. Die Jagd dient dazu, die bösen Taten des Fürsten wieder gutzumachen. Wer kein gutes Gewissen hat und den Wode trifft, wird so lange gejagt, bis er tot umfällt.
Am schlimmsten verfolgt der Wilde Jäger Hexen und Hexenmeister. Wenn er diese einmal jagt, ist ihnen der Tod sicher, außer sie retten sich, indem sie durch eine Alfranke oder Hexenschlinge schlüpfen können. Das ist ein rundes Loch, das einer sehr großen Schlinge gleicht und aus Pflanzen besteht. Schlüpft eine Hexe oder ein Hexenmeister durch so ein Loch, darf ihn niemand anrühren.