
Bong
Drei Jungs rauchen zusammen ein paar Bongs. So weit nichts Ungewöhnliches. Der einzige Überlebende wird später der Polizei gegenüber aussagen, er habe das Dope bei einem "komischen Typen" am Hauptbahnhof gekauft. Die Polizei wird ihrerseits den Dealer anhand der Beschreibung des Überlebenden zur Fahndung ausschreiben. Ohne Erfolg. Keiner ihrer Informanten aus der Drogenszene kennt den Mann, und auch am Bahnhof taucht er nicht wieder auf.
Das Dope, ein Zwei-Gramm-Stück, mutmaßlich Ketama Gold, wirkte völlig unverdächtig. Aussehen, Geruch, Geschmack - alles völlig normal.
Sie rauchen die erste Bong. Kommen in Fahrt.
Bong Nummer zwei.
Das Dope lässt sich Zeit, wirkt erst mit einiger Verzögerung.
Die drei kennen sich schon seit der Grundschule. Beste Kumpels, die füreinander die Hand ins Feuer legen würden, wie man so sagt.
Dann kommt der Flash, das High. Bong Nummer drei. Der erste Lachflash. Dann der unvermeidliche Hungerflash. Hunger, von einem Moment auf den anderen, urplötzlich nagender, bohrender Hunger. Allerdings nicht auf Burger, Pommes, Eiskrem oder sonstwelchen Süßkram.
Wer genau wem welche Verletzung zugefügt hatte, konnte der Pathologe nachher mittels Abgleichs der Gebissabdrücke weitestgehend rekonstruieren. Sowie, teilweise, aus den Inhalten der Mägen. Tatsächlich hatten die beiden Toten sich wohl mehr oder weniger gegenseitig zerfleischt und totgebissen. Dem Überlebenden fehlten große Fleischstücke in der linken Schulter und am linken Unterarm; außerdem zwei Finger.
Er wird wohl glimpflich davonkommen. Kannibalismus ist in Deutschland kein Straftatbestand, zumal alle drei noch am Leben waren, als sie übereinander herfielen. Und wegen Mordes wird man ihn auch nicht belangen können. Bestenfalls wegen der Beteiligung an gemeinschaftlich verübtem Totschlag in mehreren Fällen, wobei sein Anwalt auf Notwehr plädieren wird. Aber er wird wohl für den Rest seines Lebens in ambulanter psychiatrischer Behandlung bleiben. Und nie wieder kiffen. Nie wieder. Aus purem Horror davor, einen solchen Flash noch einmal zu erleben.
Rasender, unbändiger Heißhunger. Auf frisches Menschenfleisch. Ein derartiger Heißhunger, dass man die beiden besten Freunde anfällt und ihnen das rohe Fleisch mit den Zähnen von den Knochen reißt. Und schluckt, ungekaut. Während man sich gleichzeitig kaputtlacht ...
Der Bahnhofsdealer, von dem die Drei ihren Stoff bezogen hatten und der seitdem nicht wieder aufgetaucht ist, soll angeblich "irgendwie schwefelig" gerochen haben. - Aber das ist wahrscheinlich bloß eins der üblichen Gerüchte, die in bizarren Fällen wie diesem stets die Runde machen.
Von der Droge selbst waren nur noch Reste im Köpfchen der Bong übrig. Die Polizei hat sie labortechnisch analysieren lassen. Ergebnis: stinknormales, nicht mal sonderlich potentes Ketama. Was man halt so kriegt von Fremden, an Bahnhöfen.