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Hier eine deutsche Sage.
 
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Aktuelle Version vom 8. August 2020, 05:29 Uhr

Weber

Weber

Hier eine deutsche Sage.

Ein kurzes Stück außerhalb des Burgtores von Oberaudorf lebte dort, wo heute das Gasthaus "Zum Weber an der Wand" steht, ein Einsiedler. Hieronymus hatte sich seine Zelle am Fuß der hohen, senkrecht aufsteigenden Felswand in deren Einbuchtung hineingebaut. Die Oberaudorfer waren damals recht froh darüber, dass dieser fromme Mann in ihrer Nähe wohnte, denn er verstand allerlei davon, Mensch und Tier von Krankheiten zu heilen. Er sammelte heilkräftige Kräuter und Blüten, Wurzeln und Blätter und hatte sich vor seiner Klause ein Kräutergärtchen angelegt. Wenn ein Audorfer Hilfe für kranke Familienmitglieder oder für ein erkranktes Haustier brauchte, kam der Eremit gern mit seinen Pflanzenmixturen. Zum Lohn dafür brauchte er sich um seinen Lebensunterhalt nicht zu kümmern, denn die Audorfer brachten ihm, was er an Lebensmitteln benötigte, und er hatte davon zumeist einen Vorrat in seinem Felsenkeller. Ging der aber mal zu Ende, so läutete er sein Eremitenglöckchen, dessen Klang vom kleinen Holztürmchen über der Klause herab man im Dorf hörte. Daraufhin wurde ihm gebracht, was ihm ausgegangen war.

Wieder einmal bimmelte des alten Einsiedlers Glocke, und ein paar Oberaudorfer gingen hinauf zu ihm, um nachzusehen, wessen er bedürfe. Als sie in die Zelle eintraten, merkten sie, dass dieser keine Bedürfnisse mehr hatte: Er war gestorben. Auf einem harten Lager liegend hatte er den Glockenstrick noch in der erkalteten Hand. Er hatte sich selbst die Totenglocke geläutet.

Nach dem Tode des Einsiedlers erwarb das Grundstück ein Webermeister. Seywald hat er geheißen. 1817 fing dort sein Webstuhl an zu rattern. Er baute sich raffiniert sein Haus direkt unter den gewaltigen überhängenden Felsen einfach an die Felswand hin, sodass er sich beim Bau die Rückwand und die eine Hälfte des Daches ersparen konnte. Nachdem er einige Jahre dort sein Gewerbe ausgeübt hatte, erhielt er wunschgemäß das Recht, dort auch eine Gastwirtschaft zu betreiben. Und das war eigentlich der Anfang Oberaudorfs als Erholungsort. Denn bald verblieben beim "Weber an der Wand" Erholungssuchende für längere oder kürzere Zeit. Und sie waren des Lobes voll über die Gastfreundschaft und das herrliche Fleckchen, wo man unter schattigen Bäumen sitzen, essen und trinken konnte und dabei über die vom Wirt angepflanzten Rebstöcke hinweg hinüberschauen konnte zum mächtigen Gebirgsstock des "Kaisers". Am Hang vor dem Wirtshaus, der zur Mühlauer Straße hin abfällt, pflegten die Wirtsleute einen kleinen Weingarten. Der "Weber an der Wand" wurde so berühmt, daaa dort Kaiser, Könige und Fürsten, Künstler, Dichter und Gelehrte verweilten, unter ihnen 1823 Zar Alexander I. von Ruaaland, der der Wirtin zwei Golddukaten schenkte, König Ludwig I. und König Max II. und Prinzregent Luitpold von Bayern, die Grafen Kobell, Pallavicini und Pocci oder die Dichter bzw. Künstler Ludwig Steub und Schraudolph aus München und der Erfinder der Deutschen Kurzschrift, Franz Xaver Gabelsberger. Letzterer schrieb ein paar Verschen, natürlich in Stenographie, ins Gästebuch bei seinen Besuchen beim "Weber an der Wand":

Gern bin ich auf dem Land
und was ich da empfand, :
das schreib' ich fröhlich nieder:
Zum Häuschen an der Felsenwand,
wo ich so schöne Blumen fand,
macht' ich gerne jährlich wieder.

Und zwei Jahre später:

Bedeckt auch diesmal Schnee die Bergesspitzen
und ist es etwas frostig hier zu sitzen,
so bleibt doch schön der Blick ins Land
beim alten Weber an der Wand.

Noch in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war dieses in seiner Bauweise einmalige Gasthaus weitum so beliebt, dass an manchem Sonntag zu Mittag ein ganzes Kalb von der Wirtin Köglmeier gebraten und in handfeste Portionen zerlegt nebst einigen zum Nachmittagskaffee gebackenen Torten kaum reichten, um alle Gäste zufriedenzustellen.

Heute aber wie damals gilt noch der Spruch:

Der Weber an der Wand,
der steht in Gottes Hand:
Rührt sich der Felsen nur ein bissel,
fällt er dem Weber in d'Suppenschüssel.