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Aktuelle Version vom 19. Oktober 2021, 07:53 Uhr

Inn

Inn

Hier eine deutsche Sage.

Wenn gegen Abend ein Schiffszug mit seinen bis zu vierzig an den Hohenauern, Plätten und Zillen vorgespannten Pferden, die im seichten Uferwasser dahinstapften, und mit seinen Schiffsleuten und Pferdeknechten den Inn heraufkam und Flintsbach erreichte, dann ging man an Land, spannte die Rösser aus und versorgte sie, und auch die Schiffer kümmerten sich danach um ihr eigenes leibliches Wohl. Nach einem kräftigen Abendessen hüllten sie sich in ihre Decken und nächtigten in den Innauen. So war es auch einmal in einer stockfinsteren Nacht, dass rund um den Lagerplatz am Fluss nur noch das gelegentliche Stampfen eines Pferdes und das Plätschern des Inns zu hören war.

Doch da setzte noch ein kleiner Muzen über den Inn. Es war ein alter Bauer aus Flintsbach, der zu so später Stunde heimwärts trachtete. Er hatte Verwandte in Nußdorf drüben besucht, und weil man sich so selten sah, hatte man lange zusammen gesessen. Deshalb war es jetzt schon Mitternacht geworden, als er mit kräftigen Ruderschlägen das heimatliche Ufer erreichen wollte. Plötzlich hörte der Mann im Schifflein ein lautes Schreien durch das Rauschen des Wassers. Es waren Rufe, mit denen die Innschiffer ihre Pferde aufzumuntern und anzutreiben pflegten: "Laschiooo! Rei-tiooo! Reitiooo! Wia, hooo! Wia, hooo!" Schaurig klang das durch die Nacht. "Sollte denn jetzt noch ein Schiffszug den Inn heraufkommen? Das war doch in dieser Finsternis völlig ausgeschlossen!", dachte der Alte in seinem Kahn, und er horchte noch angestrengter in die Dunkelheit.

Nun drangen die Rufe wieder ganz deutlich an sein Ohr. Auch heftiges Peitschenknallen mischte sich jetzt darein. Kein Zweifel, da mussten noch Schiffsleute auf dem Fluss unterwegs sein!

Über dem Wasser war inzwischen dicker Nebel aufgestiegen und seine Schwaden wogten hin und her. Ein starker Wind brachte die Erlen und das Gebüsch am Ufer ins Schwanken. Der wilde Lärm aber zog immer näher heran. Der Bauer in seinem Nachen erkannte die drohende Gefahr, dass er mit dem Schiffszug zusammenstoßen oder unter die Hufe der Rösser kommen könnte. Darum legte er sich mit Leibeskräften in die Ruder in der Hoffnung, dem heranbrausenden Unglück doch noch entrinnen zu können.

Gott sei Dank! Er war gerade noch rechtzeitig ans rettende Ufer gesprungen und hatte sich eiligst im Dickicht versteckt. Von dort aus sah er, dass der Inn nun mit gefährlich hohen Wellen dahineilte, und darüber huschten dunkle Schatten. Es waren wilde Burschen auf schnaubenden Gäulen, die mit geschwungenen Peitschen an ihm gespenstisch vorüber hetzten. Der dicke Nebel schien sie gleich darauf zu verschlucken, aber ihre gottlosen Flüche und das Knallen der Peitschen sowie das Brausen des aufgewühlten Wassers vernahm der alte Mann in seinem Versteck noch eine ganze Weile. Es ist ihm vor Angst kalt über den Rücken gelaufen und die Haare sträubten sich ihm unterm Filzhut. Am ganzen Körper zitterte er wie Espenlaub.

Endlich war der Spuk vorbei. Die schwarzen Wolken am Himmel rissen auf und waren bald ganz verschwunden. Ein friedlicher Mond schien herab auf die wieder still dahinziehenden Wellen des Inns. In den Innauen ringsum war wieder nur das Schnauben der ruhenden Pferde zu hören, die sich am Abend mit ihren Männern hier niedergelassen hatten.

Schlimme, gottlose Gesellen waren da schon auf manchem Innschiff! Nichts war vielen dieser Burschen mehr heilig. So hielten es die Leute für eine gerechte Strafe Gottes, als wieder einmal bei Hochwasser ein Schiff das Fahrwasser verfehlte, das ja immer wieder wechselte und im breiten Innbett nur selten an der gleichen Stelle verlief wie bei einer früheren Fahrt. Auf die wüsteste Weise fluchend konnten die Schiffer nicht verhindern, dass ihre Plätte auf eine Sandbank lief. Mit langen Stangen sich schrecklich plagend brachten sie sie schließlich doch wieder in die Strömung. Aber da drehten reißende Wellen, die krachend gegen die Schiffsbalken schlugen, das Gefährt im Kreis herum, und schon riss ein großer Felsbrocken dicht unter der wild bewegten Wasseroberfläche ein großes Loch in den Schiffsbauch. Im Nu schlug das Schiff voll Wasser und gurgelnd versank es mitsamt seiner tollen Besatzung. Keiner konnte sich im hochgehenden Inn retten.

Die armen Seelen der Ertrunkenen fanden keine Ruhe im Jenseits. Unter der Nußdorfer Brücke hört man oft das Getöse eines vorbeirauschenden Schiffszugs und das Geschrei dieser Schiffer. Der Lärm kommt aber immer erst nach dem Gebetläuten. Oft hört sich das Geschrei an, als säßen Betrunkene in einer Spelunke beim Zechen, oft klingt es wie ein Gewinsel ganz schaurig durch den Abendfrieden. Wenn man da gerade in den Innauen dazukommt, muss man sich gleich auf den Boden werfen mit dem Gesicht nach unten und muss die Arme überkreuz vor die Brust legen, sonst könnte es sein, dass die wilden Schiffsleute einen mitnehmen auf Nimmerwiederkommen.